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1973 - Dreigeteilte Reformlösung

Bonner Rundschau / 27. September 1973

Eine Studie der Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler

Zu dem Ergebnis, möglicherweise die Grafschafter Gemeinden Bengen, Karweiler, Lantershofen, Ringen, Vettelhoven, Eckendorf und Gelsdorf mit der Kreisstadt, die Gemeinden Birresdorf, Leimersdorf und Nierendorf mit der Stadt Remagen, die Gemeinden Holzweiler und Kalenborn mit der Verbandsgemeinde Altenahr zu verbinden, kommt eine Studie der Stadtverwaltung von Bad Neuenahr-Ahrweiler zur Gebietsreform. Diese Studie ist als „Planspiel“ gedacht, wie Bürgermeister Rudolf Weltken in der jüngsten Ratssitzung der Kreisstadt unterstrich.

Anhand der Strukturen, der Berufspendler, der Verkehrsanbindung, der Polizei- und Rettungsdienstbezirke sowie der Schul- und Kindergartenplanung erläuterte Erster Beigeordneter Winfried Schneider den Ratsherren die Gedankengänge der Studie. Dabei betonte er, daß die Gedanken nur Gewicht hätten, sollte eine Eingliederung von Grafschafter- Gemeinden in die Kreisstadt unumgänglich sein.

Bei der gegenwärtigen Struktur, so führte Schneider aus, hätten die Kreisstadt als Ort des Fremdenverkehrs, des mittelständischen Gewerbes und der Behörden und die Verbandsgemeinde Ringen als landwirtschaftliches Gebiet keine Gemeinsamkeiten. Diese grundlegende Ausrichtung sei auch im Regionalen Raumordnungsplan Mittelrhein ausgewiesen.

Im Wohnbereich gebe es Verflechtungen mit den Gemeinden Bengen, Karweiler, Lantershofen und Ringen sowie nach der Fertigstellung der A 14 und der vierspurig ausgebauten B 266 auch mit Eckendorf, Gelsdorf und Vettelhoven. Bei der Gewerbeansiedlung biete das Autobahnkreuz verkehrstechnisch gewisse Standortvorteile, so daß sich zwischen der Kreisstadt und dem Raum Gelsdorf eine Verbindung auch auf diesem Gebiet herstellen lasse. Dagegen ergebe sich wegen der Agrarstruktur dieser Gemeinden keine Verbindung mit Birresdorf, Leimersdorf, Nierendorf, Holzweiler und Kalenborn.

Bei der Untersuchung der Verflechtungen wendet sich die Studie den Berufspendlern zu. Aus Karweiler und Lantershofen haben etwa zwei Drittel, aus Bengen und Ringen etwa die Hälfte ihren Arbeitsplatz in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Aus Eckendorf, Gelsdorf und Vettelhoven dürfte sich der Trend zur Kreisstadt mit Verbesserung der Verkehrsverhältnisse verstärken. Gering dagegen sind die Prozentzahlen aus Birresdorf, Leimersdorf, Nierendorf und Holzweiler.

Bei den Straßenverkehrsverhältnissen sieht die Studie die Verbindung mit den rheinwärts gelegenen Gemeinden und mit Holzweiler (über Dernau) als unbefriedigend an, während sich für die Zentrale Grafschaft nach Abschluß der großen Projekte eine zufriedenstellende Verbindung ergibt.

Bei der Abgrenzung der Dienstbezirke der Polizei (analog dazu der des Rettungsdienstes) hält die Studie schon wegen der einheitlichen Betreuung der A 14 die Bildung eines Bezirks aus der Kreisstadt, Bengen, Karweiler, Lantershofen, Ringen. Vettelhoven,Eckendorf und Gelsdorf für zweckvoll, ebenso eine Orientierung Birresdorfs, Leimersdorfs und Nierendorfs zum Schutzpolizeikommando Remagen sowie Holzweilers und Kalenborns zum Kommando Altenahr.

Auch bei der Hauptschulplanung sieht die Studie einen Vorteil der Dreiteilung. Zum Hauptschulbezirk Ahrweiler wären dann neben Ahrweiler, Bachem, Walporzheim und Ramersbach auch Bengen, Karweiler, Lantershofen, Ringen, Vettelhoven, Eckendorf und Gelsdorf zu schlagen, während Holzweiler (ein Weg nach Ahrweiler wäre ebenso lang) Altenahr und die rheinwärts gelegenen Gemeinden Remagen zugeordnet werden sollten.

Bei der Grundschulplanung sieht die Studie als sinnvoll an, die Kinder aus Birresdorf, Leimersdorf und Nierendorf in Remagen, die aus Holzweiler in Dernau einzuschulen. Die zentral gelegenen Gemeinden der Grafschaft könnten dann einen Schulbezirk Ringen bilden.

Bei der Kindergartenplanung geht die Studie davon aus, daß Lantershofen, Karweiler, Bengen und Ringen im Kindergarten Lantershofen, Gelsdorf, Eckendorf und Vettelhoven im Kindergarten Gelsdorf zusammengefaßt werden. Für Leimersdorf, Birresdorf und Nierendorf ist ein Kindergarten in Leimersdorf geplant. Die Kinder aus Holzweiler könnten den Kindergarten in Dernau besuchen.

Bei der Analyse auf verschiedenen Gebieten über gegenwärtige und künftige Verflechtungen und Unterschiede kommt die Studie zu dem Schluß, daß eine Dreiteilung der Verbandsgemeinde Ringen (Grafschaft) am zweckdienlichsten ist, sollte sich die Selbständigkeit der Grafschaft nicht halten lassen. Die Studie wird der Landesregierung zur Kenntnisnahme zugeleitet.

1973 - JU hat noch keine Meinung

Bonner Rundschau / 25. Oktober 1973

Die Junge Union har bewußt noch keine Meinung
Weg von Emotionen - hin zu den nüchternen Tatsachen

Die Junge Union der Grafschaft äußerte in einer Zusammenkunft in Leimersdorf! ganz bewußt keine Meinung zum Thema Bildung einer verbandsfreien Gemeinde Grafschaft / Beibehaltung der Verbandsgemeinde Ringen. Die Vertreter der JU' meinten, man müsse von emotionsgeladener Argumentation endlich zu Fakten kommen. Sie bildeten einen Arbeitskreis, der alle Angaben über die Grafschaft Zusammentragen soll und inzwischen seine Tätigkeit aufgenommen hat.

Vom JU-Vorsitzenden Weber wurden die JU-Vertreter über die ganze Vorgeschichte informiert, die schließlich zum Vorschlag, eine verbandsfreie Gemeinde Grafschaft (Einheitsgemeinde) zu bilden, geführt hatte. Ausführlich berichtete Weber über die Mainz-Fahrt der Grafschaft- Kommission - und da hakte sein Parteifreund Bender aus Lantershofen ein.

Bender machte Weber praktisch denselben Vorwurf, den Weber gegen Lantershofens Bürgermeister Schütz erhoben hatte: er habe sich in Mainz nicht an einen Vorstandsbeschluß gehalten. Laut Bender hätte sich Weber in Mainz nach einem JU-Vorstandsbeschluß richten müssen, mit dem der Anschluß der Grafschaft an Bad Neuenahr-Ahrweiler gefordert worden war. Allerdings wurde dazu von anderen JU-Vertretern festgestellt, daß dieser Vorstandsbeschluß, der für eine CDU- Versammlung verwendet worden war, unter völlig anderen Gegebenheiten gefaßt worden war und die Ablehnung des Anschlusses durch den Stadtrat von Bad Neuenahr-Ahrweiler nicht berücksichtigt hatte. Zudem sei der Beschluß aus der Erkenntnis zustande gekommen, daß sich die Grafschaft-Gemeinden untereinander nicht einig werden könnten. Beispiel: Kindergarten.

Bender vertrat vor den JU-Vertretem den Lantershofener Standpunkt und versuchte, sie darauf festzulegen Das gelang ihm nicht. Vielmehr handelte er sich den Vorwurf „Kirchturmspolitik“ ein, und die JU-Vertreter meinten, bevor sie sich zur Frage Einheitsgemeinde oder Verbandsgemeinde äußern könnten, müßten die nüchternen Tatsachen, die für und gegen die eine oder die andere Lösung sprechen, zusammengetragen werden.Von JU-Vertreter Rönn aus Holzweiler/ Esch, der auch dem Vorstand des CDU- Ortsverbandes Ringen angehört, wurde eindringlich darauf aufmerksam gemacht, daß die Grafschaft-Gemeinden, wenn sie an der Verbandsgemeinde festhalten, genau das erreichen, was sie nie wollten: die Dreiteilung. Mit der Beibehaltung der Verbandsgemeinde werde, so bekräftigten auch andere Sprecher, die Lösung des Problems nur hinausgeschoben. Wenn die Verbandsgemeinde bestehen bleibe, könne man es zum Beispiel den östlichen Grafschaft-Gemeinden nicht verdenken, wenn sie sich als „Wunschkinder“ Remagen anschließen. Andererseits könne die Grafschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler, das nur an einigen Gemeinden interessiert sei, geschlossen gegenübertreten und - wenn überhaupt - eines Tages darauf bestehen, daß die gesamte Einheitsgemeinde der Stadt angeschlossen werde.

1973 - Meinungsbildung auf der Grafschaft

Rhein-Zeitung / 26. Oktober 1973

Vier Gemeinderäte und die Junge Union besprachen sich eingehend

Da der Anschluß der Grafschaft - der Verbandsgemeinde Ringen - an die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler auf sich warten läßt (bei grundsätzlichem Einvernehmen über den Zusammenschluß), gehen die Diskussionen darüber weiter, ob als Zwischenstadium eine Verbandsgemeinde bestehen bleiben soll. Alternative dazu ist eine verbandsfreie Gemeinde, also praktisch eine Großgemeinde.

Vier Gemeindevertretungen befaßten sich jetzt mit dem Thema, in Bengen sprachen sich drei Vertreter gegen eine verbandsfreie Gemeinde aus, zwei dafür; eine Stimmenthaltung war zu verzeichnen. In Leimersdorf sprach sich der Rat einmütig für die Bildung einer verbandsfreien Gemeinde aus. ln Birresdorf waren fünf Stimmen für die verbandsfreie Gemeinde, zwei dagegen, Der Gemeinderat von Karweiler faßte noch keinen Beschluß. Er will sich erst weiter über die Einzelheiten informieren, über Vor- und Nachteile der angestrebten Neugliederung.

Auch die Junge Union der Grafschaft faßte noch keinen Beschluß in dieser Frage. Sie will ebenfalls die Gegebenheiten und Möglichkeiten weiter prüfen, zumal noch nicht feststeht, wie für finanziellen Belastungen ein Ausgleich (etwa durch Zuschüsse) gefunden werden kann.

Bei der jüngsten Zusammenkunft der Jungen Union berichtete Vorsitzender Heinz Weber über die Entwicklung, die zur heutigen Fragestellung führte. Die Lage ist so: Im Prinzip wird ein Anschluß an die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler angestretx es gibt auch eine vertraglicht Vereinbarung über diesen Zusammenschluß, der laut Text aber „frühestens" 1974, wenn die Kommunalgremien neu gewähl werden, zustandekommen soll. Der Staidtrat von Bad Neuenahr Ahrweiler, der sich ebenfalls ein gehend mit der weiteren Entwicklung auseinandersetzte, wil im nächsten Jahr noch keiner Zusammenschluß mit den Gemeinden der Grafschaft, denn auch er sieht den „Nachholbedarf" an kommunalen Einrichtungen, für die nicht un beträchtliche Mittel aufgewende werden müssen. Da Bad Neuenahr-Ahrweiler aber in den heutigen Grenzen selbst noch Millionenbeträge investieren muß (und die einstigen Gemeinden des Amtes Bad Neuenahr nicht zu kurz kommen lassen will), fand sich im Stadtrat keine Mehrheit für den baldigen Anschluß der Grafschaft. Im Gegenteil: Zum Teil (SPD/FDP-Fraktion) wird der Anschluß grundsätzlich abgelehnt.

Es gibt Befürchtungen, daß bei Beibehaltung der jetzigen Verbandsgemeinde (anstelle der verbandsfreien Großgemeinde einzelne Gemeinden aus ihren eigenen Interessen heraus einen schnelleren Anschluß an Bad Neuenahr-Ahrweiler suchen. Solche Überlegungen geben wieder den Befürwortern einer Großgemeinde Auftrieb. Auch gibt es Bestrebungen, für einzelne Gemeinden einen Anschluß an die Stadt Remagen zu suchen, während auf der anderen Seite auch von einem teilweisen Anschluß an Altenahr die Rede ist. Die Anhänger einer zu bildenden verbandsfreien Gemeinde Grafschaft führen auch an, daß ein geschlossenes Ganzes bei künftigen Gesprächen mit der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler Argumente und Interessen besser vertreten könne, als wenn einzelne Gemeinden für sich mit einem starken Partner verhandeln.

1973 - Verwaltung antwortet Bender

Bonner Rundschau / 29. Oktober 1973

Stellungnahme der Verbandsgemeindeverwaltung Ringen zu den von Hans Walter Bender (Lantershofen) in der Rundschau-Ausgabe vom 24. 10. 1973 veröffentlichten Leserbrief: In der Absicht, die Bevölkerung unseres Bezirkes sachlich, fachlich und den Gegebenheiten entsprechend zu informieren, sehen wir uns gezwungen, einige im Leserbrief Bender zum Ausdruck gekommene Feststellungen richtigzustellen:

Herr Bender stellt in seinem ausführlichen Brief u. a. fest, daß die der zu bildenden Großgemeinde Grafschaft zufließenden Schlüsselzuweisungen um 70 000 niedriger seien, als die, die der Verbandsgemeinde Ringen überwiesen werden. Dem ist nicht so. § 2 des Finanzausgleichsgesetzes für Rheinland-Pfalz vom 6. 7. 1972 sagt unmißverständlich, daß verbandsfreie Gemeinden bei den Zuweisungen in gleicher Weise bedacht werden wie verbandsangehörige Gemeinden und Verbandsgemeinden bei Addition der den beiden Körperschaften zufließenden Landeszuschüsse.

Die im gleichen Brief unter 1. getroffene Feststellung, eine verbandsfreie Gemeinde und deren Verwaltung machten den Umbau des vorhandenen Verwaltungsgebäudes erforderlich, ist durch nichts zu beweisen. Die vorhandenen Büros reichen nachgewiesenermaßen aus.

Zu 2. sei gesagt, daß, wenn die vorhandene Bauabteilung personell überhaupt zu vergrößern bleibt, hier die Einstellung eines Bautechnikers zu überlegen bliebe. Dieser Mann würde sich, wenn man weiß, welche Planungs- und Bauleitgebühren in unserem Bereich jährlich an Planungsbüros oder das Kreisbauamt gezahlt werden, nachweislich bezahlt machen.

Unter 3. meint Bender, daß die derzeitige Verwaltung um drei bis vier Beschäftigte zu verstärken bliebe. Dazu stellen wir fest, daß innerhalb des auslaufenden Jahres drei leitende Angestellte altersbedingt ausgeschieden sind, ohne daß hierfür Ersatz geschaffen werden konnte, nicht zuletzt aus der unsicheren Situation, in der sich unser Bezirk und damit die Verwaltung befanden. Selbstverständlich müßten wir die freigewordenen Stellen mit zwei evtl. auch mit drei neuen Leuten besetzen.

Entgegen der Ansicht Benders ist bis heute auch nicht an die Schaffung eines Fuhrparkes gedacht worden. Der neuen Gemeindevertretung bliebe Vorbehalten abzuwägen, ob sich der Kauf eines Allzweckgerätes oder -fahrzeuges bezahlt machen würde.

Und schließlich kann keine Rede davon sein, daß, wie Bender weiter meinte, ca. sechs Gemeindearbeiter eingestellt würden. Ob, im Gegensatz zu bisher, mehrere Arbeiter fest angestellt würden, bliebe, wie alle personellen und sonstigen Entscheidungen. dem Beschluß der noch zu wählenden Vertretungskörperschaft einer verbandsfreien Gemeinde Grafschaft Vorbehalten. Und diese wird sich, da sie sich aus Bürgern der jetzigen Gemeinden rekrutieren wird und die Belange und Möglichkeiten des Bezirks kennt, an dem orientieren, was finanziell möglich und vertretbar ist.

1974 - Plakativer Mißmut in Lantershofen

General-Anzeiger / 5. Januar 1974

Mit Ahrweiler verbunden!
Empörung, weil Landtag Gemeinderatsbeschluß mißachtete

Die kommunale Neugliederung, die man zur Zeit im Gebiet der Grafschaft vornimmt, scheint nicht überall, aber am allerwenigsten in Lantershofen Gefallen zu finden. Wenn man heute in den Ort fährt, wird die Aufmerksamkeit von einem großen Schild gefesselt: „Achtung, nun durchfahren Sie ein Kohl-CDU-geschädigtes Dorf“. Was ist passiert, daß die Bürgerschaft so aggressiv werden muß?

Ortsvorstaher Eduard Schütz, der Kreisdeputierte, sagte zu dem Thema, daß man eine Verbündsgemeinde Ringen bleiben wollte, da hätte sich der Ort Lantershofen, der sich wirtschaftlich noch einigermaßen bewegen kann, am besten gestanden. Man hat kein Verständnis daftit, daß man als Verbandsgemeinde Ringen zu klein ist und wirtschaftlich nicht existieren kann, aber dasselbe Gebilde ais Einheitsgemeinde größere Chancen baben soll.

Bei kommunalen Neugliederungen in Remagen und Sinzig wurde immer ins Feld geführt, daß man erst ab 15.000 Einwohnern größere Gebilde respektieren könne. Man frage sich nun zu recht, was aus einer Einheitsgemeinde mit 5.600 Bewohnern, größtenteils landwirtschaftlich orientiert und ohne nennenswerte Industrie, werden soll. Der Wunsch des Ortes Kalenborn, an Altenahr angeichlossen zu werden, würde respektiert, nicht aber der Wunsch der Gemeinde Lantershofen, die wirtschaftlich mit Ahrweiler verflochten ist und sich seit Jahrzehnten mit der Kreisstadt auf das engste verbunden fühle.

Obwohl der Gemeinderat beschlossen hat, der Einheitsgemeinde nicht beizutreten, sondern bei der kommunalen Neugliederungen den Anschluß an die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler zu suchen, habe der Landtag den Beschluss für die Einheitsgemeinde gefaßt. Neue Proteste würden folgen und würden auch anhalten, wenn nichts erreicht werde, sagte der Ortsvorsteher. Schütz ist darüber hinaus der Ansicht, daß auch seitens der Parteien "nicht alles glatt gelaufen" sei.

1974 - Verfassungsbeschwerde

Rhein-Zeitung / 14. März 1974

Letzte Lantershofener Gemeinderatssitzung 1974

Einstimmig wiederholte die Gemeindevertretung Lantershofen in ihrer letzten Sitzung vor der Bildung der neuen Gemeinde Grafschaft ihren schon einmal gefaßten Beschluß, Verfassungsbeschwerde wegen der Auflösung der Verbandsgemeinde Ringen und damit der Gemeinde Lantershofen sowie wegen der Bildung der Gemeinde Grafschaft einzu­reichen. Ein Anwaltsbüro wurde beauftragt, die Interessen der Gemeinde zu vertreten; 3.000 DM Honorar sollen sofort überwiesen werden.

In ihrer letzten Sitzung, an der rund 50 Zuhörer teilnahmen, hatten sich die Mitglieder des Gemeinderates, die unter dem Vorsitz von Bürgermeister Eduard Schütz tagten, mit 15 Tagesordnungspunkten zu beschäftigen und faßten mit einer Ausnahme nur einstimmige Beschlüsse.

Entsprochen wurde einem Antrag aller Ortsvereine, die sich bereit erklärt hatten, am Bau der geplanten Mehrzweckhalle mitzuarbeiten, und dafür als Gegenleistung unentgeltliches Nutzungsrecht verlangten und erhalten sollen. Der Bürgermeister wurde beauftragt, den Vereinen die vorrangige, unentgeltliche und zeitlich unbegrenzte Nutzung anzubieten und dieses Angebot notariell beglaubigen zu lassen.

1974 - Aufruf zum Wahlboykott

Gemeinderat Lantershofen / 1. März 1974

Nahezu alle von Ihnen haben das Schreiben unterzeichnet, das wir am 7. Dezember 1973 an die Landtagsabgeordneten aller Parteien richteten mit der dringenden Bitte, der Vorlage der Regierung nicht zuzustimmen, die eine Umwandlung der Verbandsgemeinde Ringen in eine verbandsfreie Einheitsgemeinde zum Ziel hatte.

Gegen jegliche Vernunft wurde unserer begründeten Bitte nicht entsprochen.

Am 8. Januar 1974 richteten wir einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten, dessen Inhalt Ihnen allen bekannt ist. Als Antwort erhielten wir von der Staatskanzlei in Mainz am 14. Febr. 1974 ein höflich gehaltenes, aber nichtssagendes Schreiben von 5 Seiten, in dem alle bereits bestens bekannten Darstellungen wiederholt wurden, ohne auf den Kern unserer Gegenargumente einzugehen.

Wir sehen in der weder notwendigen noch nützlichen Bildung der verbandfreien Gemeinde Grafschaft ein sinnloses Unrecht und für die Bevölkerung von Lantershofen einen wesentlichen kulturellen und wirtschaftlichen Schaden. Die Gemeindevertretung hat darum in ihrer Sitzung vom 27. Februar 1974 einstimmig beschlossen, das Verfassungsgericht anzurufen und inzwischen einen versierten Rechtsanwalt mit der Klageführung beauftragt.

Als Ausdruck unseres Protestes gegen politische Entscheidungen, die nicht dem Wohle der Bevölkerung dienen, legen wir den Lantershofener Bürgern nahe, keiner Partei ihre Stimme zu geben und sich am 17. März 1974 nicht an der Wahl der verbandsfreien Gemeinde und des Kreistages zu beteiligen.

Die Ratsmitglieder der Gemeinde Lantershofen

1974 - Aufruf zur Wahl

Rundschreiben Franz Schaaf MdL / 15. März 1974

Liebe Mitbürger von Lantershofen! Die Ratsmitglieder von Lantershofen haben die Bürgerschaft aufgefordert, sich an den Wahlen zur verbandsfreien Gemeinde "Grafschaft" und zum Kreistag am 17. März nicht zu beteiligen. Diese Auffordorung ist ungewöhnlich und einmalig.

Wir leben in einem freien Land, jeder kann seine Meinung hier frei äußern. Es ist das gute Recht von Ratsmitgliedern und Bürgern, an der Bildung der verbandsfreien Gemeinde "Grafschaft" aus ihrer Sicht Kritik zu üben. Diese Entscheidung ist nach Anhörung aller Betroffenen zustandegekommen. Wer nach einer demokratisch zustandegekommenen Entscheidung die Bürger dann zum Wahlboykott aufruft, handelt unverantwortlich und undemokratisch.

Die Verantwortung für die ständig wachsende Isolierung von Lantershofen und die daraus entstehenden Nachteile für die Bürger tragen die Initiatoren der örtlichen Aktionen. Der gesamten Bürgerschaft und vor allem der jungen Generation wird damit ein schlechter Dienst erwiesen.

Der jetzige Aufruf bedeutet für viele Kommunalpolitiker der Grafschaft und des Kreises, besonders für mich, eine große persönliche Enttäuschung. Seit vielen Jahren, zum Teil seit über 25 Jahren, haben wir zu Eduard Schütz gestanden. Jetzt, da er aus der Kommunalpolitik ausscheidet, läßt er seine alten Freunde im Stich.

Liebe Mitbürger!

Zeigen Sie, daß Sie freie, unabhängige Bürger sind. Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Geben Sie am kommenden Sonntag Ihre Stimme zur verbandsfreien Gemeinde und zum Kreistag ab. Wählen Sie die Kandidaten der CDU für die Grafschaft und den Kreistag.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Schaaf

1974 - Wahl und Protest

Rhein-Zeitung / 18. März 1974

Wahlergebnisse Verbandsfreie Gemeinde Ringen: Wahlberechtigte 4222, Wahlbeteiligung 3050, gültige Stimmen 2963. CDU 2271, SPD 692.

Bengen CDU 204, SPD 24. Birresdorf CDU 131, SPD 73. Eckendorf CDU 134, SPD 21. Gelsdorf CDU 321, SPD 102. Holzweiler CDU 306, SPD 59. Karweiler CDU 131, SPD 81. Lantershofen CDU 32, SPD 13. Leimersdorf CDU 156, SPD 65. Nierendorf CDU 156, SPD 64 Ringen CDU 415, SPD 128 (Bonner Rundschau vom 18.3.12974).

1974 - Nach der Wahl 1

Bonner Rundschau / 19. März 1974

Trotz Wahlboykott Hoffnung auf zügige Weiterarbeit
Lantershofener Bürger protestierten gegen neue Einheitsgemeinde

Der bisherige Gemeinderat von Lantershofen mit Bürgermeister Eduard Schütz an der Spitze hatte Erfolg mit seinem Aufruf zum Wahlboykott: 45 gültige Stimmen wurden gezählt bei 480 Wahlberechtigten. Trotzdem liegt das Ergebnis von Lantershofen mit 71,11 vH für die CDU in etwa auf der Gesamtlinie (72,12 vH).

CDU-Kreisvorsitzender Franz Schaaf (MdL), der als Bürger von Lantershofen dazu aufgerufen hatte, trotzdem zur Wahl zu gehen, der auch am Sonntagabend bedauerte, daß die Mehrzahl der Wähler von Lantershofen sich bei der Wahl des neuen Kreistages der Stimme enthielten, begrüßte trotzdem das tatsächliche Wahlergebnis: Es sei wichtig für den neuen Ortsbeirat.

Eduard Schütz, der nun abgetretene Bürgermeister, war gestern unterwegs; der bisherige Beigeordnete Robert Bender erklärte bei einem Telefoninterview, daß sich der bisherige Gemeinderat natürlich über die Stimmenthaltungen freue. Unmittelbar könne der Boykott zwar keine Vorteile bringen, aber der Rat habe bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Beschluß zur Auflösung der Verbandsgemeinde Ringen zur Neubildung der verbandsfreien Gemeinde Grafschaft in Fortführung seines eingeschlagenen Weges keine andere Möglichkeit gesehen, als zum Wahlboykott aufzurufen. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Landtages von Rheinland-Pfalz sei eingeleitet; ein Anwaltsbüro kümmere sich nach einem der letzten Beschlüsse des alten Gemeinderates von Lantershofen darum.

Robert Bender äußerte Wunsch und Willen des alten Rates, daß sich die neue Gemeinde an die alten Beschlüsse von Lantershofen hält. Es gehe beispielsweise um das Neubaugebiet. Die bisherige Gemeinde habe ihren Erschließungsbeitrag von 10 vH der Kosten bereits geleistet: 1970 wurde beschlossen, mit einem Teilausbau zu beginnen. Die restlichen 90 vH der Erschließungskosten müßten von den Anliegern aufgebracht werden. Auf die neue Gemeinde komme die Verwaltungsarbeit zu.

Franz Schaaf hob den lokalen Charakter des Wahlboykotts von Lantershofen hervor. Im neuen Rat der verbandsfreien Gemeinde Grafschaft werden 23 CDU-Vertreter und vier SPD-Vertreter sitzen. Damit sei die solide Arbeit des CDU-Verbandes Grafschaft unter dem Vorsitz von Josef Alef anerkannt worden. Der CDU-Kreisvorsitzende erkannte allerdings auch an, daß die Wahlenthaltung, die quer durch die Parteien gegangen sei, die Haltung des bisherigen Bürgermeisters und Gemeinderates unterstrichen habe.

SPD-Kreisvorsitzender Dr. Carlheinz Moesta (Adenau) erklärte, mit dem Wahlboykott von Lantershofen werde nichts bewirkt. In einer Demokratie müsse Respekt vor dem Gesetzgeber und seinen Entscheidungen an der Spitze stehen. Wenn die Bürger von ihrem obersten Recht, zur Wahl zu gehen, keinen Gebrauch machten, habe das zwar demonstrativen Charakter, aber bewirkt werde damit nichts. Für die kommunale Praxis in Lantershofen meinte Dr. Carl­heinz Moesta, es führe für die nächsten fünf Jahre kein Weg vorbei an einer Zusammenarbeit mit der neuen verbandsfreien Gemeinde Grafschaft.

1974 - Nach der Wahl 2

Bonner Rundschau / 19. März 1974

Im Schnaps waren mehr Prozente als in Lantershofens Wahlurnen
Aufruf zum Abstimmungsboykott siegte über Schaaf-Appelle

 „Der Eifelgeist“ hat jedenfalls mehr Prozente als der Schaaf“, grinste einer der Veranstalter von Lantershofens Wahl-Happening am Sonntagmittag schadenfroh. Der „Eifelgeist“ hatte auch abends noch mehr Prozente: Der Aufruf zum Wahlboykott, vom Gemeinderat und von Bürgermeister Eduard Schütz herausgegeben, siegte über die Aufrufe zur Wahlbeteiligung, die der Lantershofener CDU-Landtagsabgeordnete Franz Schaaf in Wurfsendungen und bei Hausbesuchen startete. Gegen 17.30 Uhr meldete das Wahllokal anhand einer inoffiziellen Strichliste: 42 haben zum Gemeinderat gewählt.

Wahlberechtigt waren 480. Einer von den 42 war natürlich Franz Schaaf selbst. Er entstieg seinem Wagen mit gequältem Lächeln, als er die Szenerie vor der alten Schule überblickte: Plakate mit schwarzem Sarg und roten Wahlstreiks-Parolen wie „Nur hier treffen Sie die beste Wahl“, dazu ein Büdchen mit Bier-vom-Faß und Kräuter-Schnaps-Ausschank und eine riesige Flasche als „Sparschwein“ für die Aktion Sorgenkind.

Man hatte vorher von Barrikaden vor dem Wahllokal gemunkelt. Nichts davon! Schaaf sah sich nicht einmal akustischen Schmähungen ausgesetzt. Er gab seine eigenen Stimmzettel und zwei Wahlbriefe von Familienangehörigen ab und ging dann selbst zum Bierstand, wenn auch nicht zum Bier. Sonntags morgens schwingt Schaaf den Tennisschläger. Immerhin, zum Portemonnaie griff auch er. Die Aktion Sorgenkind, bis zum Abend mit weit über 1000 Mark Spenden bedacht, verdankt auch ihm einen Zwanzig-Mark-Schein.

Franz Schaaf machte auch bei den „Streikposten“ keinen Hehl daraus, daß er ihren Umen-Boykott für falsch halte. Insbesondere seinen Lantershofener CDU-Parteifreunden warf er Kurzsichtigkeit vor. An ihren Stimmen, so meinte er, könne beispielsweise ein ganzes Kreistagsmandat hängen, unter Umständen sogar die absolute Mehrheit der Union, rechnete er ihnen vor - natürlich vergeblich.

Auch Landrat Dr. Stollenwerk fand sich in der Grafschaft-Gemeinde ein, die für ihn erste Etappe auf einer Informationsrundfahrt war. Der Chef der Kreisverwaltung sah sich sehr schnell in Debatten verstrickt, in denen er unnachgiebig seine Meinung vertrat: Mag sein, daß die Dinge nicht sehr günstig im Verfahren gelaufen sind und die Entscheidung für Lantershofen wirklich nicht die beste ist - deshalb kann man doch nicht den Weg gehen, die Wahlurne zu boykottieren und für das kommende Parlament der Gemeinde Grafschaft keinen Lantershofener Kandidaten zu nominieren. Dr. Stollenwerk sah gerade darin eine Schwäche der Lantershofener Position, wenn es möglicherweise nach der Wahl neue Verhandlungen über einen endgültigen Eingemeindungstermin gebe. Für seine Gesprächspartner aus der Gemeinde aber war der Fall klar: Von der Grafschaft und einem Gemeinderat Grafschaft können wir uns sowieso nicht erhoffen, mit oder ohne eigenen Vertreter; uns ist Unrecht geschehen, und unsere Aktion soll die Landesregierung darauf aufmerksam machen.

Herrschte im Wahllokal gelangweiltes Schweigen, so war am Bierstand draußen gegen Abend eher Kirmesstimmung zu beobachten. Als großes Finale angekündigt, war die Versteigerung eines Papiers mit den Unterschriften der letzten Lantershofener Gemeinderäte. Die Initiatoren hofften auf große Einnahmen, ebenfalls zugunsten der Aktion Sorgenkind.

1974 - Leserbrief Maerker

Rhein-Zeitung / 19. März 1974

Durch Stimmzettel revanchieren

Zu: Gemeinderat „legt nahe“: Morgen nicht wählen - Landtagsabgeordneter Schaaf fordert freie, unabhängige Bürger zur Stimmabgabe auf, RZ vom 16/17. März und zu: Im Schnaps waren mehr Prozente als in Lantershofens Wahlurnen - Aufruf zuin Abstimmungsboykott siegte über Schaaf-Appelle, RZ vom 18. März.

Der Aufruf des Lantershofener Gemeinderats, die Kommunalwahl zu boykottieren, ist ein politischer, wenn auch menschlich zu verstehender Skandal.

Er ist insofern ein politischer Skandal als die Empfehlung, keine der Parteien zu wählen, von der überwiegenden Bevölkerung (über 90 Prozent) wahrgenommen wurde, obwohl, wie jedermann weiß, die Eingemeindung von Lantershofen in die Grafschaft von einer CDU-Landesregierung verfügt wurde. Es wäre daher durchschlagender gewesen, wenn sich das selbst ernannte „Kohl-geschädigte-Dorf" durch den Stimmzettel bei der Partei des Ministerpräsidenten revanchiert hätte.

Wenn auch Lantershofen nicht zum politischen Mittel einer Protestwahl gegriffen hat, so ist dennoch das Verhalten seines Gemeinderats menschlich verständlich. Nicht jeder Bürger läßt sich in so kurzer Zeit entgegengesetzte Beschlüsse - mal für die verbandsfreie Grafschaft, mal für Bad Neuenahr-Ahrweiler, mal wieder für die Grafschaft - durch politische Drahtzieher aufzwingen.

Die Lantershofener Bürger waren in ihrer tapferen Standfestigkeit nicht bereit noch fähig, diesen nur durch Macht erzeugten Stimmungsumschwung für eine Gemeinde Grafschaft zu verdauen. Ihre von allem Anfang an erklärte Entscheidung für Bad Neuenahr wurde nicht zuletzt durch die öffentliche Erklärung - RZ vom 3. März 1973, „Vorteile für die Bürger“ - des CDU-Landtagsabgeordneten bestärkt. Er besaß schließlich aufgrund seiner sozialen und politischen Stellung den Einfluß und die Glaubwürdigkeit, den Grafschaftern den Anschluß nach Bad Neuenahr schmackhaft zu machen.

Das neuerliche Umschwenken des Volksvertreters, der sich nach einem Gespräch bei Ministerpräsident Kohl von nun an für die Bildung einer Gemeinde Grafschaft ausgesprochen hatte, überstieg das Fassungsvermögen des Gemeinderats wie die Anpassungsfähigkeit der zu ihm haltenden Bürger.

Wenn jetzt der für die Verwirrung Mitverantwortliche dem Gemeinderat „undemokratisches und unverantwortliches“ Verhalten vorwirft, bedient sich dieser eines wohlbekannten Pharisäertums, Brandstifter oder Biedermann.

Dr. Peter Maerker, Vettelhoven
Mitglied des Kreistags Ahrweiler

1974 - Profitiert: Aktion Sorgenkind

Rhein-Zeitung / März 1974

Hoch gereizt (auf dem Bild mit Geldscheinen, Anm. Red.) wurde beim Lantershofener Wahlboykott; Gewinner waren auf jeden Fall die Sorgenkinder. Jürgen Sieler (links), Beauftragter der ebenso populären wie segensreichen Hilfsaktion, nahm jetzt vom Mitinitiator des ausgedehnten Protest-Früh­schoppens am 17. März vor dem Wahllokal, Hans-Walter Bender, den Erlös entgegen: 3323,13 Mark, zum Teil auch zusammengekommen bei der Versteigerung eines Papiers.